Ich mag die Menschen sehr, die heutzutage schauen, wie man, wenn es um Umweltschutz und Ressourcenschonung geht, neue Wege beschreiten und dabei so unglaublich toll authentisch sind. Einer dieser Menschen ist Kristian Dittmann, der hier im Norden fast ganz oben quasi bei mir um die Ecke wohnt und sich dem Seegras verschrieben hat. Bis er dahin kam, dass sein Projekt Die Strandmanufaktur nun so gewinnbringend dasteht, dass er davon leben kann, brauchte sechs! Jahre und war nicht immer einfach.
Aufmerksam wurde ich auf Ihn durch einen Fernsehbericht. Der bereits dadurch so sympathisch auf mich wirkende studierte Journalist und Meeresbiologe sprach so leidenschaftlich über den Stoff Seegras, dass mich ein Satz besonders abholte:
„Es war so einer dieser unmotivierten Familienspaziergänge im Winter an der Flensburger Förde, auf die man gar keinen Bock hat, weil man schon eine halbe Stunde braucht, um die Kinder anzupellen und nach einer halben Stunde schon wieder allen kalt ist. So überhaupt nicht geeignet, um das Leben zu verändern."
Der Spaziergang hat sein Leben verändert, denn da sah er die großen Mengen Seegras am Strand und hatte den Satz im Kopf: "Seegras ist Rohstoff"
Mich hat er damit so beeindruckt, dass ich ihn gern kennenlernen und ihm beim komplett händischen Verarbeitungsprozess über die Schulter schauen wollte.
Wir hatten uns für den Oktober verabredet, da dann die Zeit ist, zur der der sogenannte Treibsel wieder die Küsten Norddeutschlands säumt, der die Grundlage Dittmanns neuer Existenz bildet. Nun war es endlich so weit.
Woher wusste er, wie er das Seegras waschen und weiterverarbeiten muss, um seine raschelnden Kissenfüllungen vorzubereiten?
"Wusste ich nicht. Ich hatte mit älteren Leuten gesprochen, die mir sagten, sie kennen das noch von früher. Aber niemand konnte mir erklären, wie das Gras verarbeitet wurde."
Er experimentierte also selbst, um herauszufinden, wie es optimal funktionieren könnte.
Fast die gesamte, mehrere Quadratmeter große Fläche des Raumes ist gefüllt mit Seegras in verschiedenen Verarbeitungsstadien. Dittmann taucht eine große Ladung Seegras per Hand in das Wasser und holt es wieder heraus. Danach breitet er es auf den auf den Netzen aus, die auf die Holzkonstruktionen Marke Eigenbau gespannt sind. Das Waschwasser plätschert in eine Auffangwanne unter dem Waschzuber. Hier geht nichts unnötig verloren.
"Demnächst brauche ich kein Leitungswasser mehr, dann wasche alles ich mit Regenwasser, das ich sammle und bin komplett autark".
Der Schonwaschgang-Überflüssiges wird vom Seegras getrenn
Kristian Dittmann trägt keine Handschuhe während der Wäsche und mir fällt auf, dass seine Hände nicht im Geringsten schrumpelig oder aufgequollen aussehen. Nein, im Gegenteil, die Haut wirkt sehr glatt. Also ich kenn das so nicht; jeder Abwasch beispielweise beschert mir mindestens einen Eincremevorgang, damit die Hände wieder einigermaßen vorzeigbar aussehen.
"Das Seegras ist so hochpotent und nährstoffreich, da brauche ich keine Handschuhe". Der große und durchtrainiert wirkende Mann hat wohl auch seine kleinen Arbeitsunfälle aber noch mehr positive Erfahrungen mit seinem Seegras gemacht. "Ich hatte mich beim Arbeiten verhoben und einen Hexenschuss bekommen. Nachdem die üblichen Tabletten nicht geholfen hatten, machte ich mir ein Portion Seegras warm und legte sie mir auf den Rücken. Kurz danach merkte ich, dass die Schmerzen weniger wurden. Das hat mir super geholfen".
Das muss ja wirklich ein toller Stoff sein....
Genau, denn es speichert CO² und filtert Schadstoffe aus dem Wasser. Es wirft im Herbst wie die Wälder sein Laub ab, das dann an die Küsten gespült wird. Obwohl dieser Stoff so wertvoll ist, ist man heutzutage eher damit beschäftigt, ihn zu entsorgen, statt ihn zu verwerten. Kostenfreier Füllstoff wäre genug vorhanden.
Der Korb, in dem er das heraus sammelt, was den Schlafkomfort durch Pieken vermindern könnte, ist kaum gefüllt. Es bleibt nur ganz wenig an überschüssigem Material zurück.
. Der "Seegrasmann" zeigt mir einen sogenannten Blasentang; der ist sehr groß und fest und wird mit den kleinen Ästen oder natürlich dem leider hier auch vorhandenem Plastikmüll, aus dem Rohstoff gesammelt.
Die Produktion der natürlichen Kissenfüllungen in vollem Gange.
Es ist ein regnerischer Tag- bisher. Während Kristian Dittmann mit der großen Mistgabel die nächste Fuhre Treibsel aufnimmt, um sie in das Waschwasser zu tauchen, scheint auf einmal die Sonne durch die Seitenfenster. Das Licht wärmt die Luft und erhellt den Raum.
"Wenn ich das hier alles fertig habe, bin ich durch für diese Jahr und kann mit dem Füllen und Verkaufen der Kissen starten".
Er wirkt dabei sehr zufrieden und strahlt mich bei seinen Erzählungen an. Ich bin es auch, denn ich habe eine schöne Bestätigung meines ersten Eindrucks von ihm erhalten. Während der vergangenen zwei Stunden habe ich mich sehr wohlgefühlt und bin beeindruckt von einem Menschen, der sich nicht hat beirren lassen, für seine Vision zu leben.
Ich habe meine Aufnahmen gemacht und mein Blogartikel ist fast fertig. Danke an dich für das Teilhaben lassen lieber "Seegrasmann".
Die Lufttrocknung des Seegrases
Den ersten Abschluss des Themas Seegras bildete mein Törn weiter unten an die Ostseeküste nach Kalifornien. Hier gibt es eine Stelle, an der ich sowieso gern unterwegs bin. Da hatte ich sofort mit offenen Augen das Seegras gesucht und wurde schnell fündig. Übrigens: Seegras ist auch eine gute Basis, um als Düngestoff oder Grundlage für Kartoffelanbau zu fungieren. Ich werde demnächst wohl auch mal eine kleine Sammelaktion starten. Dann schaue ich mal, was ich aus dem wertvollen Rohstoff machen kann.
Und mal davon ab: Hier stank überhaupt nichts, es war getrocknet und sah einfach toll aus, wie es da so im Sonnenlicht leicht schimmerte. Dazu hatte ich noch ein wunderschönes Motiv.
Während ich an das alles denke, lächle ich zufrieden...Recht hat er..."Seegras ist Rohstoff".
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